Freiheit und Präzision

„Gernweg“ steht über dem Durchgang vom Atelier zum Treppenhaus geschrieben. Ob Gis Achterberg gern hinein oder lieber hinausgeht, ist dabei nicht so wichtig. Denn beides ist wohl richtig.

Die jugendlich wirkende Malerin aus Wilhelmshagen vergräbt sich nicht im Atelier. Sie ist neugierig und auch neben ihrer Kunst außerordentlich aktiv. Derzeit lernt sie noch nebenbei Französisch und Klarinette spielen. Die kontemplativen Abend- und Nachtstunden sind der bildenden Kunst vorbehalten. Dann hat sie Ruhe und bringt die nötige Konzentration auf, sich mit ihren Werken – Bilder & Skulpturen – auseinanderzusetzen. Ein schwieriger Prozeß oft, der sie gefangen hält und sie erst dann zur Ruhe kommen läßt, wenn das Werk in ihren Augen gelungen ist. „Manchmal stimmt’s nach dem ersten Durchgang, manchmal dauert’s ewig, in einzelnen Fällen gelingt es gar nicht“, beschreibt Gis Achterberg den Weg ihres künstlerischen Schaffens. Damit drückt sie aus, mit welch zähem Ringen um den passenden Ausdruck, den harmonischen Aufbau und die Kombination der Farben ihre Malerei häufig verbunden ist. Dabei wirken ihre zum Teil großflächigen Werke leicht, hell und ein bißchen heiter. So wie auch Gis Achterberg selbst. Nichts an ihr erinnert an die Kämpfe um den passenden Ausdruck. Eher scheint es ihr aus den Händen zu fließen und wie von selbst zur Form zu gedeihen.

Doch das ist eben Ausdruck großer Kunst – man sieht ihr die Arbeit nicht an, die in ihr steckt. Auf den ersten Blick sind es die Flächen, die hell und licht die Bilder Gisela Achterbergs zu dominieren scheinen. Doch auf ihnen und in ihnen sind es die filigranen Linien, die den Betrachter gleichsam durch das Bild leiten, ihn führen und zu eigenen Imaginationen verführen. Behutsam und ohne Zwang. Es stellen sich Assoziationen ein, mit denen jeder dem Bild seine eigenen Deutungen vermittelt.

Gis Achterbergs Bilder unterbreiten Vorschläge, sie erzwingen nichts. Ebenso wenig wie die Künstlerin: In ihrem Wesen hat sie so gar nichts Bestimmendes oder Autoritäres. Vielmehr strahlt sie Sanftmut & Heiterkeit aus, gepaart mit einem starken Willen und einem Schuß Rebellion. Den hat sie sich noch aus ihrer Jugend bewahrt.

„Ich hatte einen sehr autoritären Vater und habe als Jugendliche immer dagegen opponiert und meine Grenzen ausgelotet“, erzählt sie. Aufgewachsen in der kleinbürgerlichen Stadt Bautzen mit ihren festgefügten Regeln und Hierarchien, hat Gisela Achterberg schon früh die Freiheit des Künstlerischen gesucht. Doch die Ausbildung als Malerin blieb ihr zunächst durchs väterliche Veto verwehrt. Er drängte seine Tochter zur Schneiderlehre. Doch über einige Umwege gelang ihr das Studium der Malerei und Grafik bei so arrivierten Lehrern wie Dietrich Lusici, Wulf Sailer, Erika Stürmer-Alex und Karl Hartwig. Dazu noch ein Fernstudium der Kultur- und Kunstwissenschaft an der Humboldt-Universität.

Heute lehrt sie selbst die künstlerischen Techniken und Grundlagen an der FHTW. Künstlerische Freiheit ist das Eine für Gis Achterberg. Das Andere – es ist ihr ebenso wichtig – bedeutet für sie Präzision & Genauigkeit. „Ich kann es nicht gut leiden, wenn jemand etwas dahinschludert“, meint die Künstlerin. Gis Achterbergs Oeuvre zeigt beides: Die Freiheit künstlerischer Kreativität und die Präzision korrekter Arbeit.

Text & Fotos wurden dem Rahnsdorfer Schirm zur Verfügung gestellt von: Bernd Meierrieks

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