Die Dichterin Clara Müller-Jahnke lebte seit 1903 in Wilhelmshagen.

Herkunft und Kindheit

Clara Müller wird am 5.2.1860 in Lenzen bei Belgard in Pommern als Tochter des Landpfarrers Wilhelm Müller und dessen 20 Jahre jüngeren Ehefrau geboren. Sie wird vom Vater unterrichtet und beginnt schon mit sieben Jahren zu dichten. Von den Genen des Vaters hat sie wohl mehr mitbekommen als von denen der feinsinnigen Mutter.
Als mittelloser Schäfersjunge, der bis zum 18.Lebensjahre das Vieh hatte hüten müssen, war Wilhelm, vom Bildungshunger gepackt, in die Stadt gegangen, um das Gymnasium nachzuholen. Nach 6 Jahren hatte er dann das Abitur mit "summa cum laude'' bestanden. Es folgten das Theologiestudium und eine kurze Festungshaft in Rügenwalde, wegen seiner schwarz-rot-goldenen Aktivitäten. Der oppositionsfreudige, arme Theologe hatte jahrelang auf eine Pastorenstelle warten müssen. Bis im Revolutionsjahr 1848 Lenzener Bauern vor das Belgarder Rathaus gezogen waren, um den verschrienen Demokraten als Pfarrer in das Heimatdorf zu holen. Und diesmal erhielten sie nach zweimaliger Ablehnung endlich die Bestätigung der Behörden für Ihren Dorfpastor Müller. Unter der Obhut und klugen Erziehung dieses Vaters und ihrer Mutter verlebt Clara eine glückliche Kindheit in Lenzen.

Reifung in hartem Daseinskampf

Claras glückliche Kindheit, das ländliche pommersche Leben, Heide und Moor mit ihren schweren, ruhigen Stimmungen wirken tief in ihrer Seele und "prägen ihrem Charakter jene Kraft und Güte auf, welche als das Allerpersönlichste aus ihren Dichtungen stark und ergreifend" reden wird. (So Julius Hart in seinem späteren Vorwort zu Claras Gedichtband.)
Clara ist gerade 13 Jahre alt, als der Tod des Vaters die sonnige Kindheit jäh für sie beendet. Der harte Kampf um das tägliche Brot und den notdürftigsten Lebensunterhalt beginnt. Clara bildet sich autodidaktisch weiter, gibt Privatstunden und erfährt bald am eigenen Leibe das Los der ganz auf eigenen Erwerb angewiesenen schlecht bezahlten Frau. Sie besucht die Handelsschule in Berlin und kann diese mit Bestzeugnissen und dem Examen als Buchhalterin abschließen. Sie erhält eine Anstellung  in einem größeren Berliner Fabrik-und Handlungshaus, das sie aber nach kurzer Zeit voller Ekel wieder verlässt,  als ihr Chef von ihr mehr verlangt als nur die Führung seiner Geschäftsbücher. Sie kehrt zurück zur Mutter nach Belgard und bestreitet durch Erteilung von Privatstunden beider Lebensunterhalt. 1884 siedelt sie mit der Mutter nach Kolberg um, unterrichtet dort zunächst an der Volksschule und beginnt, sich schriftstellerisch zu betätigen. Sie veröffentlicht mit wachsendem Erfolg Novellen, Aufsätze, Essays und Gedichte in verschiedenen Zeitschriften und kann sich schließlich durch feste Mitarbeit an den sozialdemokratischen Zeitschriften "Neue Welt" und "Gleichheit" zu einer der führenden sozialdemokratischen Schriftstellerinnen entwickeln.Um die kranke Mutter bis zu deren Tod pflegen zu können, bleibt sie über 10 Jahre als Redakteurin an der Kolberger "Zeitung für Pommern“.

Die Erfahrungen dieser Jahre spiegeln sich in folgenden Versen Claras:

"Ich ging mit dir durch alles Elends Tiefen,
geknechtet Volk, durch einen Pfuhl der Schmach;
die Stimmen hört ich, die nach Freiheit riefen,
und meine Seele hallte zitternd nach.
Ich schlief mit dir in deiner Armut Hütten,
in die kein Mondlicht mild verklärend scheint,
all deinen Jammer hab ich mitgelitten,
all deine Tränen hab ich mitgeweint!"

Schaffensglück und jäher Tod

Durch eine unerwartete größere Erbschaft kann Clara sich endlich aus der Fessel der harten Arbeit für die nackte Existent lösen und findet die ökonomische Freiheit, die für die künstlerische Arbeit so wichtig ist. Es folgen wenige Jahre glücklichen Schaffens und erfüllten Menschseins.
Sie gibt den Gedichtband "Mit roten Kressen" heraus (1900) und kann sich ihre erste Auslandsreise nach Neapel leisten. Es entsteht der Gedichtband "Sturmlieder vom Meer". Auf Capri lernt sie den Maler Oskar Jahnke kennen, mit dem sie sich 1902 verheiratet. Die Jungvermählten lassen sich in Wilhelmshagen in der jetzigen Lassallestr. 67 ein malerisches Künstlerhaus im italienischen Landhausstil erbauen, in das sie 1903 einziehen. Clara schreibt ihren autobiografischen Roman "Ich bekenne. Die Geschichte einer Frau", der 1904 erscheint. Es entsteht die Freundschaft mit Julius und Heinrich Hart vom Friedrichshagener Dichterkreis. Julius zieht 1904 nach Wilhelmshagen in die jetzige Eichbergstraße 17 und wird später das Vorwort zu Claras Sammelband ."Gedichte " schreiben, aus dem wir bereits zitiert haben.

Leider sollte das sonnige Eheglück im trauten Heim mit lieben Freunden nur zwei Jahre dauern. Es endet tragisch: Clara wird "von einer tückischen Influenza gepackt, die sie rasch und jäh am 4. November 1905 hinwegraffte."

Die Dichterin wurde auf dem Wilhelmshagener Friedhof bestattet. Das Grabdenkmal gestaltete ihr Gatte aus einem mächtigen eiszeitlichen Granitblock. Er schuf damit eine einmalige Grabstätte in Hanglage, unter Kiefern, Birken und Wacholder an den Püttbergen. Der so frühe Tod seiner Frau schmerzte Oskar Jahnke so sehr, dass er sich nach der Illustration und Herausgabe des Sammelbandes "Gedichte" von Clara 1910 in der Schweiz das Leben nahm.

- Dagobert Wiesmüller (Okt.2005) -

Zurück zu "Rahnsdorfer Köpfe"